Finn Skills

Finn (S)kills - oder warum gerade ältere Herren mit diesem Schiffanackl so gerne spielen

Als Rickard Sarby, der segelnde Frisör aus Stockholm, 1949 den ersten Finn ins Wasser schob, um damit an Tests zur Auswahl einer neuen Olympiaklasse für die Spiele von 1952 teilzunehmen, ahnte er nicht, welchen Langzeiterfolg er ernten würde. Keine Vorstellung hatte er auch davon, welche technische Entwicklung diese Einheitsklasse nehmen würde. Zur Erinnerung hier ein paar Eckpfeiler:

  • 1959 Dacronsegel ersetzt Baumwollsegel
  • 1961 GFK Rumpf ersetzt Holzrumpf
  • 1969 Alumast ersetzt Holzmast
  • 1974 Doppelboden wird erlaubt.
  • 1994 Carbonmast ersetzt Alumast
  • 1995 Flügelmast ersetzt runden Mast
  • 1998 Foliensegel ersetzt Dacronsegel

Und genau diese Entwicklung ist es, die uns in der zwischenzeitig fast 60 Jahre alten Konstruktion ein noch immer attraktives wenn auch herausforderndes Gefährt bewahrt hat. Das Boot ist über die Jahre wesentlich dynamischer und vor allem bei Starkwind besser segelbar geworden. Geblieben ist es aber ein Gefährt, das von eher kräftigeren Herren zu bedienen ist. Der Mannbarkeitstest der Klasse besteht darin, dass man einen Finn alleine aus dem Wasser ziehen können muss (der geneigte Leser möge das durchaus einmal heimlich versuchen). Der Nymbus der Unsegelbarkeit des Finns jedenfalls hält sich nur mehr in jenem Teil der Bevölkerung, die einen Helfer herbeirufen müssen.
Wer übrigens unkt, das Boot wäre durch all die Entwicklungen nur teurer geworden, der kann sich gerne ein Schiff in leistengeplanktem Okume, einen Mast aus Sitka-Spruce und ein Baumwollsegel anbieten lassen. Ich schätze den Preis auf das Doppelte.

Auf Augenhöhe mit den Ikonen des Segelsports

Wesentlich zur Aktivität trägt bei, dass unzählige Seglergrößen, beginnend schon bei Paul Elvström, sich ihre Sporen im Finn verdient haben. Bis hin zum Who ist Who der aktuellen Americas Cup Szene (Ben Ainslee, Coutts, Barker, Schümann, Holmberg, DeAngelis, Percy und andere) waren hervorragende Finnsegler bei der Weiterentwicklung des Spitzensports immer an vorderster Front erfolgreich dabei. Startet man nun selbst in dieser Klasse, so fühlt man sich quasi auf Augenhöhe mit den Ikonen des Segelsports und das tut der alltagsgeplagten Seele ausgesprochen gut.

Ein Spielzeug im Maßstab 1:1

Mengenmäßig gesehen ist Mitteleuropa die Hochburg der Finnsegelei, wobei Spitzensegler aus allen Teilen der Welt kommen. Die Leistungsdichte nimmt jährlich zu, aber das ist im Sport ja der generelle Trend.
Abseits des Spitzensports ziehen die leichteren Winde unserer Binnenseen gerade auch ältere Semester (es gibt sehr vereinzelt auch Damen!) in die Klasse. Wird am Wasser bis aufs Messer gefightet, so ist die Stimmung außerordentlich freundschaftlich, sobald der Fuß wieder festen Boden berührt. Das neueste Segel aus Neuseeland, der ganz spezielle Mast, den schon ein Spitzensegler bei der letzten WM gefahren hat, oder ein besonders weiches Deck sind Aufreger, die das versammelte Finnvolk einen ganzen Abend lang zu unterhalten vermögen. Und wenn segelsportspezifische Themen erschöpft sind, tauscht man sich auch gerne mal persönlich aus. Jeder ist in eine ähnlichen Lebenssituation, hat Sorgen in Familie oder Beruf und da tut es gut, diese mit Gleichgesinnten bei einem Glas Bier herunterzuspülen.
Ein jährlicher Saisonhöhepunkt ist die Masters-WM, die an die 200 gleichgesinnte Finnisten aus der ganzen Welt zu mobilisieren vermag. Man muss sich das vorstellen wie einen Ameisenhaufen voll segelnarrischer grauer Wölfe, die an Land fröhlich miteinander herumtollen und am Wasser knurrend ihre Krallen zeigen und die Zähne fletschen. Die kumulierte Regattaerfahrung dieses Rudels entsprich übrigens dem Know How eines Einzelnen, der von der Altsteinzeit bis in die Gegenwart an Segelwettkämpfen teilgenommen hat,.

Was mich persönlich mit dem Finn verbindet

Es ist meiner Erinnerung nach irgendwann am Beginn der 70er Jahre im letzten Jahrhundert des vorigen Jahrtausends gewesen, da habe ich in eine leere After-Eight Schachtel oben einen Schlitz geschnitten und ein paar Schillinge hineingeworfen. Damit verbunden war der Schwur, ab jetzt auf einen Finn zu sparen. Gedauert hat es dann rund 15 Jahre bis 1987 - die Box war zwischenzeitig x-mal geplündert - bis der erste Finn, ein 78er Lanaverre, mein Eigen war. Gedauert hat es weitere 10 Jahre, bis ich meinen ersten Staatsmeistertitel in dieser Klasse holen konnte (im Laser und FD hatte ich schon je einen) zu dem sich zwischenzeitig 3 weitere ergaben. Dazugekommen sind bei 5 Masters WM-Teilnahmen mit 4 Plätzen unter den ersten 5, zweimal sogar die Bronzemedallie.

Gewinnen ist immer lustig und natürlich ist es auch der gegebene Erfolg, der mich in dieser Klasse hält. Der Segelsport und insbesondere die Finnsegelei ist aber zu einem wesentlichen Bestandteil meines Lebens geworden. Was reizt mich nun an dieser Kiste und am Segeln im allgemeinen.


Wo rohe Kräfte sinnvoll walten...

Man hat sich bei Windstärke 5-6 eine Kreuz lang abgerackert (im Qualitätsverständnis eines Metzgers ist man dann „gut abgehangen“) und fällt - unterstützt durch eine Welle auf den Raumkurs ab. Wer je erlebt hat, wie das Boot in diesem Moment beschleunigt, welche Kräfte da frei werden, wie einem die Gischt einhüllt und wie man, wenn man nicht aufpasst, durch die nächste Welle aus dem Boot gespült wird, der möchte dieses Gefühl immer wieder erleben.

Plug and play...

Alleine zu segeln ist organisatorisch einfach. Der Finn ist leicht zu transportieren und aufzubauen. Klar ist es auch nett, mit einer Crew zusammenzuarbeiten, aber wenn man an die Bettlerei denkt, um die 5 Mann für eine Benetau zusammenzubekommen, kompensiert das den Nachteil des fehlenden Ansprechpartners auf dem Wasser. Im Finn entscheide alleine ich am Freitagabend, ob ich am Wochenende eine Regatta segle oder nicht und bin niemandem verpflichtet. Verpflichtungen gibt es im Alltag genug.

Training für das wirkliche Leben

Regattasegeln ist ein Strategiespiel. Wer sich in Erwartung einer ungewissen Zukunft (wie entwickeln sich Windstärke, Dreher, Verhalten der Gegner) so positioniert, dass er von zukünftig eintretenden Umständen günstiger getroffen wird als andere, der ist vorne. Es geht also um Risikoeinschätzung und die darauf aufbauenden Entscheidungen. Sind wir nicht im Berufsleben täglich gefordert, genau solche Entscheidungen zu treffen? Gibt es also eine bessere Übungswiese für das wirkliche Leben als bei einer Regatta mitzusegeln?

Finnsegeln ist gut für die Wirbelsäule

Als schlaksiger, (früher) untergewichtiger Lulatsch hatte ich lang Probleme, einen Finn überhaupt vernünftig halten zu können. Hans Spitzauer, den ich oft um Rat anjammerte, gab mit als einzigen Tipp immer nur zurück: „Finnsegeln ist ein Kraftsport!“. Erst um nach einer Verletzung wieder Muskeln aufzubauen kam ich mit Krafttraining in Berührung. Und siehe da, je mehr ich trainierte, desto schneller fuhr der Finn. Da ich mich auch körperlich dadurch sehr wohl fühle, bin ich bis heute dabei geblieben. Für mich wars eine wichtige Erfahrung, dass Krafttraining auch dann Spaß machen und zur Stärkung des Halteapparats sehr sinnvoll sein kann, wenn man gar nicht Mondsees Antwort auf Arnold Schwarzenegger sein will.

Lebenslange Freundschaften

Im Sport lernt man über die Jahre eine Menge Leute kennen. Vor allem mit jenen, mit denen man in Jugendjahren gefightet hat, verbindet einen eine lebenslange Freundschaft. Auf Neudeutsch würde man es Networking nennen, das sich andere mühevoll am Golfplatz erwerben müssen, bei mir ist es leichter gegangen, hat Spaß gemacht und macht es immer noch.
Auf Finnregatten trifft man immer wieder auf Recken, die jenseits der 70 sind und ihr Boot immer noch respektabel beherrschen. Das würde ich mir auch für mich wünschen.

Michael Gubi, AUT-7

Interesse? Dann nehmt Kontakt mit uns auf. Wir organisieren gerne ein Schnuppersegeln im Finn für Klasseneinsteiger und stehen mit Rat und Tat zur Seite.